Einige Bemerkungen über die sogenannten „Kalksäckchen“ an den Halsseiten bei Phelsumen
von Gerhard Hallmann (IGP-Rundschreiben 2/95)
Vor einiger Zeit bemerkte ich im Terrarium eines erfolgreichen Terrarianers ein adultes Weibchen von Phelsuma quadriocellata quadriocellata mit einer extremen und entstellenden Ausbildung des linken sogenannten Endolymph-Säckchens (siehe Foto) .
Das Tier machte einen lebhaften Eindruck und schreite, nach Angaben des Halters, regelmäßig zur Fortpflanzung. Derartige Fälle sind in der Phelsumenhaltung wohl häufiger, beunruhigen den Pfleger und lassen das jeweilige Tier unschön wirken.
Viele Biologen befassten sich in der Vergangenheit mit diesen „Kalksäckchen“ und versuchten die Entstehung und Bedeutung dieser zumeist beidseitigen „Beulen“ zu erklären.
So schreibt schon R.MERTENS 1927 in den „Blättern für Aquarien- und Terrarienkunde“ unter dem Titel: Über eine merkwürdige Erkrankung des Gehörganges bei Anolis und anderen Eidechsen: „Beim Aufschneiden (des Kalksäckchens) zeigten sich die beiden halbkugeligen Erhebungen unter der Haut, sowie unter einer dünnen Schicht von Fettgeweben und Muskulatur, erstaunlich große Mengen von einer breiartigen, kreideweißen Masse, die an der Luft bald erstarrte und in der Hauptsache aus kleinen , nur mikroskopisch sichtbaren Kalkkristallen bestand. Nun war es mir klar, daß es sich bei meinem Anolis um eine Erkrankung des Gehörganges gehandelt hat und zwar jenes Teils des häutigen Labyrinths, den man als Ductus endolymphaticus bezeichnet……“, so also MERTENS.
Ist es wirklich eine E r k r a n k u n g?
Die Endolymphe ist das Gleichgewichtsorgan aller Wirbeltiere. Der Ductus (Kanal) endolymphaticus (heißt :zur Innenlymphe gehörig) führt also zum gleichgewichtssteuernden Innenohr.
HENKEL & SCMIDT (1991 „Geckos“- Ulmer Verlag) und HENKEL & HEINECKE (1993 „Chamäleons im Terrarium“ – Landbuch-Verlag) erwähnen dieses Organ für wichtige Funktionen bei der Schutzreaktion, z.B. Sichtotstellen beim Angriff von Freßfeinden. Ob die Endolymphe bei Phelsumen ähnliche Aufgaben übernimmt, ist m. W. noch nicht geklärt.
Auf die Vermutung, die „Kalksäckchen“ könnten Calciumreserven/ -speicher sein, geht G.OSADNIK 1987 in seiner Dissertationsarbeit „Untersuchungen zur Reproduktionsbiologie des madegassischen Taggeckos Phelsuma dubia (BOETTGER,1881)“ sehr genau ein. Er zieht darin zwei Schlußfolgerungen: “ Zur Klärung der Frage, ob das für die Vitellogeninsynthese(=Dotterbildung) benötigte Calcuim tatsächlich aus den endolymphatischen Säcken stammt, wären, ebenso wie bei den vorangegangenen Untersuchungen zur Eischalenbildung, weiterführende Experimente mit radioaktivem Calcium (45Ca) notwendig……
Zusammenfassend kann man annehmen, daß die endolymphatischen Säcke von Phelsuma dubia Calciumreserven enthalten, auf die sowohl die Jungtiere im frühen Ontogenese-(=Entwicklungs-) stadium, als auch adulte Weibchen während ihrer Reproduktionsphase zurückgreifen.“
Übrigens: In ihren Lebensräumen habe ich bei Phelsumen nur in einem Fall ungewöhnlich große und habitusentstellende „Kalksäckchen“ beobachten können, und zwar bei Phelsuma mutabilis im Raume Tulèar.