Phelsuma quadriocellata cf. parva von der Westküste Madagaskars als Terrarienpflegling
von Silvia Budzinski (Der Taggecko, Nr.52, 4/2005)
Im Jahr 2000 verbrachten wir unseren Urlaub auf der Insel Nosy Bé, die Madagaskar im Nordwesten vorgelagert ist. Wir wohnten im Chanty Beach Hotel, in dessen üppig bewachsenen Garten sich die verschiedensten Phelsumenarten tummelten. So konnten wir ganz bequem auf unseren Liegen einen kühlen Drink genießend P.l.laticauda, P.dubia, P.abbotti chekei und P.grandis beobachten. Dabei fielen uns auch einige recht kleine Phelsumen mit intensiver türkiser Färbung auf. Wie sich bei genauerer Begutachtung herausstellte, zeigten die Tiere einen deutlichen blau umrandeten Posthumeralfleck, und wiesen sich damit für uns als ein Vertreter der quadriocellata-Gruppe aus (1). Auf Grund der geringen Größe konnte es sich eigentlich nur um P.q.parva handeln. Da die Terra typica dieser Unterart allerdings an der Ostküste Madagaskars liegt, vermuteten wir Verschleppung von Tieren oder Gelegen mit Baumaterial, dass von der Ostküste bezogen worden war.
Später stellten wir dann einige Unterschiede der Tiere von Nosy Bé und der Ostküstentiere, die wir am Buschhaus am Canal des Pangalanes beobachten konnten, fest. Die Nosy Bé Tiere werden etwas größer, zeigen einen größeren schwarzen Posthumeralfleck, der fast immer hellblau umrandet ist, und haben einen schwarzen Präfemoralfleck, der allerdings unterschiedlich stark ausgebildet sein kann. Dieser kommt bei P.q.parva der Ostküste so gut wie nie vor. In letzter Zeit gab es zudem einige weitere Nachweise aus dem Nordwesten Madagaskars. So wurden Tiere auf der Ampasindava Halbinsel, im Manongarivo Special Reserve sowie in einer Ortschaft 50 km südlich von Ambanja gefunden(2,3), die im Aussehen mit den Tieren von Nosy Bé übereinstimmen. Diese neuen Fundpunkte und die beschriebenen Unterschiede der Tiere lassen vermuten, dass es sich dabei um eine weitere eigene quadriocellata-Unterart handelt, die ihr Verbreitungsgebiet im Nordwesten von Madagaskar hat. Solange diese neue Unterart nicht wissenschaftlich beschrieben und benannt ist, sollte besonders darauf geachtet werden bei der Nachzucht West- und Ostküstentiere nicht miteinander zu vermischen.
Terrarienhaltung
Wir halten unsere Adulti in einer Gruppe von 1,3 Tieren. Sie sind in einem Terrarium der Maße 60 x 40 x 80 cm (L x B x H) untergebracht. Beleuchtet wird mit einer 150 W HQI Lampe, die in einem Abstand von etwa 10cm zur oberen Deckscheibe des Terrariums angebracht ist. Da HQI Lampen sehr viel Wärme abgeben, wird nicht zusätzlich beheizt. Auf dem waagerecht im Lichtkegel angebrachten Sonnenplatz werden daher Temperaturen von über 40°C erreicht.
Durch die Höhe des Beckens entsteht ein Temperaturgradient, so dass die Temperatur im unteren Bereich des Terrariums bei etwa 24°C liegt. Dadurch haben die Tiere die Möglichkeit, sich in ihrem bevorzugten Temperaturbereich aufzuhalten.
Als Laufflächen dienen Bambusstäbe und verzweigte Äste von Laubbäumen, die senkrecht und diagonal angebracht sind. Als Bodengrund hat sich bei uns schon seit einigen Jahren Lecaton Granulat, wie es für Hydrokulturpflanzen verwendet wird, bewährt. Der eingebrachte Wasserstandsanzeiger ermöglicht eine leichte Kontrolle des Wasserstandes im Terrarium.
Die Bepflanzung ist recht dicht. Die Pflanzen werden ohne Topf in das Granulat eingepflanzt. Prinzipiell kann man nach eigenem Gefallen auf das im Handel erhältliche Zimmerpflanzensortiment zurückgreifen. Was aber auf keinen Fall fehlen sollte sind einige Pflanzen, die einen Blatttrichter bilden, wie z.B. Bromelien, kleine Sansevierien oder Dracaena Arten. Diese werden ausnahmslos von allen unseren Weibchen zur Eiablage bevorzugt. Sogar in die engen Achseln von Tillandsien haben sich unsere Weibchen schon zurück gezogen. Angebotene Bambusröhren wurden bei uns nie angenommen.
Bedingt durch die dichte Bepflanzung und die Hydrokultur steigt die relative Luftfeuchtigkeit nachts auf über 80%. Am Tage sinkt sie auf etwa 40% im oberen Beckenbereich ab. Wegen des hohen Kalkgehaltes unseres Leitungswassers, verwenden wir zum Sprühen entmineralisiertes Wasser. Zur Trinkwasserversorgung bieten wir den Tieren Leitungswasser in Vogeltränken mit Reservoir an, die mittels Saughalter an der Terrarienscheibe angebracht und von den Tieren regelmäßig aufgesucht werden. Geringe Mengen entmineralisierten Wassers, das die Tiere beim Sprühen aufnehmen, schadet ihnen nicht. In den Sommermonaten wird einmal täglich ausgiebig gesprüht. In den Wintermonaten, in denen die Beleuchtungsdauer von 13 auf 9 Stunden täglich reduziert wird, und die Temperaturen niedriger sind, wird das Sprühen auf zwei- bis dreimal in der Woche reduziert.
Gefüttert werden die Tiere in erster Linie mit Heimchen. Des weiteren erhalten sie Ofenfischchen, Wachsmotten und deren Raupen und gelegentlich auch mal einen Mehlwurm. Wachsraupen werden zwar enorm gerne gefressen, werden aber wegen ihres hohen Fettgehaltes nicht zu oft angeboten. Neben tierischer Kost bieten wir auch ab und zu Fruchtbrei, das Joghurtprodukt „Fruchtzwerge“, DayGecko Food von Zoomed oder Blütenpollen an. Während unserer dreiwöchigen Urlaubsabwesenheit sind Blütenpollen die einzige Nahrung, die den Geckos zur Verfügung steht. Von besonderer Bedeutung für die Gesunderhaltung der Phelsumen ist eine ausreichende Versorgung mit Vitaminen und Kalzium. Wir verwenden das Präparat Korvimin ZVT plus Reptil. Die Futtertiere der Weibchen werden bei jeder Fütterung eingestäubt, bei adulten Männchen reicht dies auch bei jeder zweiten bis dritten Fütterung. Um die Weibchen mit ausreichendem Kalzium zu versorgen, haben sie ständig Zugang zu kleinen Sepiakalkstückchen, die wir in einem Plastikschälchen ganzjährig im Terrarium anbieten. Wie auch unsere anderen Phelsumenarten, ziehen auch P.q.cf.parva Weibchen eindeutig kleine Bröckchen dem feinen Pulver vor. Dieses wird erst aufgeleckt, wenn wirklich kein größeres Stück mehr da ist. Nach unserer Erfahrung nehmen P.q.cf.parva nur so viel Sepia auf, wie sie benötigen. Während der Eiablagen werden die in den Endolymphsäckchen angelegten Reserven verbraucht, und die Halsseiten werden wieder schlank. Alle Tiere bekommen ihr Futter von der Pinzette gereicht. So kann sicher gestellt werden, dass die Weibchen genügend Futter abbekommen, was besonders während der Reproduktion wichtig ist, und das Männchen nicht verfettet.
Nachzucht
Die Aufnahme von Sepiakalk ist oft ein Zeichen für eine Gravidität des Weibchens. Da die Bauchseite der Tiere sehr hell ist, kann man die meist paarigen Gelege sehr gut durchscheinen sehen. Außerdem nehmen die Geckos deutlich an Umfang zu. So kann es einem nicht entgehen, wenn ein Gelege abgelegt wurde. Die Weibchen sind dann sehr schlank, enorm gierig nach Futter und gegenüber ihren Mitbewohnern sehr aggressiv. Jeder, der sich der Ablagestelle nähert wird von dort 1 bis 2 Tage vehement vertrieben. Die Gelege werden nicht an die Unterlage angeklebt, und die Eiablagen erfolgen meist im Abstand von ca. drei Wochen. Anders als z.B. unsere P.inexpectata, die nach 4 bis 5 Gelegen die Eiproduktion für die Saison einstellen, legen P.q.cf.parva regelmäßig weiter. Allerdings wird das Intervall zwischen zwei Ablagen durch die verkürzte Beleuchtungsdauer etwas verlängert. Um die Schlüpflinge vor den Adulti, die ihnen nachstellen, zu schützen, und um möglichst beide Geschlechter zu induzieren, werden die Gelege im Brutkasten gezeitigt. Leider besteht auch bei dieser Unterart der quadriocellata-Gruppe ein deutlicher Weibchenüberschuß. Zeitigungsversuche erbrachten zwar auch immer einige Männchen, allerdings kann zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Aussage darüber gemacht werden, bei welchem Temperaturregime mehrheitlich Männchen induziert werden können.
Aufzucht
Nach dem Schlupf beziehen unsere Jungtiere, die eine Größe von ca. 3,5 cm aufweisen, zunächst 1l Plastikdosen, die im Deckel und an einer Seite mit Belüftungsflächen versehen sind. Als Einrichtung dienen lediglich zwei kleine Bambusstöcke oder Zweige sowie ein Wassernapf. Um die Tierchen möglichst von Beginn an aneinander zu gewöhnen, werden die Geschwister zusammen in eine Dose gesetzt. Getrennt wird allerdings, sobald sich andeutet, dass nicht beide ans Futter gehen oder sich Tiere massiv bekämpfen. Meist nehmen die Kleinen bereits am zweiten Lebenstag selbständig Futter auf. Für erste Fressversuche eignen sich kleinste Wachsraupen besonders gut, aber auch Mikroheimchen oder kleine Ofenfischchen werden eifrig erjagt. Insgesamt sind junge P.q.cf.parva in dieser Hinsicht sehr unproblematisch. Möglichst bald sollten die Futtertiere mit Vitaminpulver eingestäubt werden. Die Jungtiere werden täglich gefüttert. Sie erhalten dabei aber nur so viele Futtertiere, wie sie zügig hintereinander wegfressen. Überzählige Futtertiere, die permanent sogar auch auf den jungen Geckos herumlaufen, bedeuten dann einen enormen Stress.
Im Alter von etwa 6 bis 8 Wochen ziehen die Jungtiere in kleinen Gruppen von etwa 6 Tieren in Freilandvolieren aus Gaze um. Dabei vergesellschaften wir sie meist mit etwa gleich großen Jungtieren anderer Arten, so z.B. P.guimbeaui und P.inexpectata. Die Aufzucht im Freiland beginnen wir, sobald die Tagestemperaturen bei etwa 20°C liegen, was hier meist Ende April/Anfang Mai der Fall ist. Über Nacht holen wir die Tiere generell herein. Die Freilandhaltung wirkt sich nicht nur sehr positiv auf die Entwicklung und das Wachstum der Tiere aus, sondern auch auf ihre Färbung. Leider gehören die Vertreter der quadriocellata-Gruppe zu den Phelsumenarten, die in der Terrarienhaltung nicht mehr die Farben der Wildfänge zeigen. Setzt man die Tiere aber so früh wie möglich ins Freie, entwickeln sie auch ihre Rotfärbung sehr ansprechend.
Die Intensität von Wildfängen wird allerdings nicht erreicht. Hinzu kommt, dass die roten Zeichnungselemente im Terrarium leider wieder verblassen, während ihre grüne und türkise Farbe erhalten bleibt. Da P.q.cf.parva sehr verfressen sind, wachsen sie zügig heran. Im Alter von etwa 3 bis 4 Monaten kann man die Geschlechter recht sicher bestimmen. Junge Männchen zeigen dabei deutliche Präanofemoralporen. Junge Weibchen können unter Terrarienbedingungen bereits mit 6 bis 7 Monaten erste Eier ansetzten. Um eine zu frühe Befruchtung, die sich negativ auf die weitere körperliche Entwicklung auswirken kann, auszuschließen, sollten in diesem Alter die Männchen aus der Gruppe genommen werden. Mit etwa einem Jahr sind die Geckos ausgewachsen und können dann zur Vermehrung eingesetzt werden.
Gruppenhaltung
An dieser Stelle möchte ich noch kurz auf die Gruppenhaltung der adulten Tiere eingehen. P.q.cf.parva sind recht ruppige kleine Gesellen, die mitunter nicht gerade zimperlich miteinander umgehen. Anfangs hielten wir die Tiere paarweise. Dabei stellte sich heraus, dass das Männchen permanent in Paarungsstimmung war, und das Weibchen deshalb ständig bedrängt wurde, was häufig zu Stressfärbung und Verstecken führte. Deshalb versuchten wir, mehrere Weibchen von in der Gruppe aufgezogenen Jungtieren zusammen in ein Terrarium umzusiedeln. Später kam dann das Männchen dazu. Diese Konstellation ist nun bereits seit drei Jahren erfolgreich. Die Weibchen haben untereinander eine Rangordnung ausgebildet, bei deren Nichteinhaltung durchaus wilde Jagden im Terrarium stattfinden. Allerdings ist es nie zu heftigen Beißereien, mit großen Verletzungen gekommen. Da die Aufmerksamkeit des Männchen nun auf drei Weibchen verteilt ist, ist die Situation für das einzelne Weichen deutlich entspannter. Alle Tiere reproduzieren gleich gut und nehmen problemlos Futter an. Wir führen den Erfolg der Gruppenhaltung darauf zurück, dass die Tiere zusammen aufgezogen wurden. Mehrere adulte fremde Weibchen miteinander zu vergesellschaften wird nach unserer Erfahrung wohl meist nicht funktionieren. Generell muß bei einer Gruppenhaltung immer gut beobachtet werden, um im Ernstfall einschreiten zu können.
Fazit
P.q.cf.parva ist eine kleine hübsche Phelsumenart, die im Terrarium sehr gut gehalten und vermehrt werden kann, und deren Agilität und Zutraulichkeit dem Halter viel Freude bereitet.
Literatur
1) BUDZINSKI, R.-M. (2001): Auf der Insel Nosy Bé entdeckt: Phelsuma quadriocellata parva, Rundschreiben der IG-Phelsuma Nr.36: 16-18
2) BERGHOF, H.-P. (2005): Taggeckos – Die Gattung Phelsuma, Natur und Tier-Verlag, Münster, 142 S.
3) VAN HEYGEN, E. (2004): The genus Phelsuma GRAY, 1825 on the Ampasindava peninsular, Madagascar, Phelsuma 12: 99-117