Beobachtungen zur Haltung und Aufzucht von Phelsuma flavigularis
von Julian Korth (IGP-Rundschreiben 4/96)
Einleitung:
Im Januar 1995 führte ich auf legalem Wege u.a. 8 Phelsuma flavigularis, 1 Männchen und 7 Weibchen, von Madagaskar nach Deutschland ein. Da diese Tiere nicht selbst gefangen wurden, gibt es für sie auch keine exakte Fundortangabe.
Die Haltung und Zucht der Tiere werden von Markus Fölling und mir gemeinsam durchgeführt.
Die Wildfänge:
Die Wildfangtiere wurden in zwei Gruppen unterteilt. Anfangs hielten wir eines der Tiere aus der 0,4er Gruppe noch für ein Männchen, da es sehr jung war. Erst später, als wir vergeblich nach Eiablagen suchten, stellten wir fest, daß es sich um eine 0,4er Gruppe hielt. Bei der anderen Gruppe war es im ersten Jahr der Haltung zu 20 Eiern bzw. 10 Doppeleiablagen gekommen, die ausschließlich an die Innenseiten von Bambusröhren (ca. 2,5 – 3 cm Durchmesser) geklebt wurden.
Da es sich um 4 Weibchen handelte, wurde das Männchen für ca. 2 Wochen zu den 4 Weibchen umgesetzt, in der Hoffnung, daß auch hier in absehbarer Zeit Eiablagen stattfinden würden. Zwar ließ sich das Männchen problemlos in die 0,4er Gruppe integrieren, und es kam auch zu Kopulationen, aber leider verstarben die Weibchen noch bevor sie Eier entwickeln konnten. Nach den 2 Wochen wurde das Männchen wieder in seine ursprüngliche Gruppe reintegriert, um die Sozialstruktur der beiden Gruppen nicht nachhaltig zu stören.
Ca. 4 Wochen später, die Tiere waren bereits seit knapp einem Jahr in unserer Pflege und machten einen gesunden Eindruck, beobachteten wir eine rasch zunehmende Vergrößerung der endolymphatischen Kalksäckchen bei den Weibchen. Nach und nach waren sowohl die reproduktiven, als auch die nicht legenden Weibchen betroffen. Die außergewöhnlich zutraulichen und aktiven Tiere wurden matt und träge. Sie verweigerten die Nahrungsaufnahme, ihre Leiber blähten sich auf und innerhalb weniger Wochen verstarben alle 7 Weibchen. Ob ein Zusammenhang zwischen dem Umsetzen des Männchens und dem Sterben der Weibchen besteht, ist zweifelhaft. Daß ein parasitärer Befall vorliegt, kann mit einiger Sicherheit ausgeschlossen werden, weil eines der Tiere in einem Labor in Filderstadt untersucht wurde. Bei diesem Tier wurde eine Fettleber diagnostiziert. Ansonsten war es gesund.
An dieser Stelle muß erwähnt werden, daß das betreffende Tier eine etwas von den anderen Tieren abweichende Ernährungsgewohnheit hatte. Es nahm hauptsächlich den wöchentlich angebotenen Babybrei auf und verweigerte größtenteils tierische Nahrung. Davon abgesehen war es unauffällig. Da alle Weibchen die gleichen Symptome zeigten, ist es wahrscheinlich, daß sie alle diese gleiche Todesursache hatten. Ob die Fettleber bei diesem oder den anderen Tieren (?) tatsächlich die Todesursache war, ist auch nicht mit 100 % Sicherheit zu sagen. Als eine mögliche Erklärung für die Fettleber könnte man die fettlöslichen Vitamine (z.B. Vitamin A) in der Nahrungsergänzung anführen, die sich in der Leber angereichert haben könnten, was einem jedoch in Bezug auf die stark vergrößerten endolymphatischen Kalksäckchen nicht weiterhilft.
Die Jungtiere:
Nachdem wir beobachtet hatten, daß die Alttiere die frisch geschlüpften Jungtiere fressen, wurden die vollbelegten Bambusröhren in einem anderen Terrarium mit vergleichsweise ähnlichen Bedingungen gezeitigt. Seitdem konnten die Jungtiere regelmäßig entnommen und aufgezogen werden. Insgesamt schlüpften 12 Jungtiere. Als ca. 1/2 Jahr nach den letzten Eiablagen feststand, daß keine Tiere mehr schlüpfen würden, stellten wir bei der Reinigung der Bambusröhren fest, daß 8 Jungtiere voll entwickelt in den Eischalen vertrocknet waren. Sie kamen vermutlich nicht zum Schlupf, weil ihre Lage innerhalb der engen Röhren eine ausreichende Befeuchtung, verhinderte. Seitdem besprühen wir regelmäßig alle 2-3 Tage die Gelege mit Regenwasser. Die Eier trocknen innerhalb einiger Minuten wieder ab.
Die Aufzucht der Jungtiere erwies sich als unproblematisch, denn die Jungtiere nahmen nach wenigen Tagen den mit Korvimin und Honig versetzten Babybrei auf. Kurze Zeit später fraßen sie schon Fruchtfliegen, die Raupen der kleinen Wachsmotte und schließlich auch junge Schaben (Blaptica dubia). Die Jungtiere wurden in kleinen Gruppen von 3-4 Tieren gemeinsam aufgezogen. 6 der Phelsuma flavigularis Jungtiere erreichten das adulte Stadium. Es waren ausschließlich Weibchen.
Adulte Phelsuma flavigularis Nachzuchten im Gewächshaus:
Ende Mai diesen Jahres wurden die Tiere in extra Terrarien (70 X 80 X 100 cm), die mit Aluminiumgaze bespannt waren, in einem kleinen (3 X 4 m), unbeheizten Gewächshaus gehalten.
Außerdem kam im April 1996 ein weiteres Männchen (Wildfang) hinzu, so daß wir im Juni zwei Gruppen mit jeweils 1,3 Tieren im Gewächshaus zusammenstellen konnten. Sobald die Männchen in ihre neuen Terrarien gesetzt wurden, konnte man Beobachten, wie sie den Bereich ihrer Femoralporen an bestimmten markanten Stellen im Terrarium gerieben haben. Wir gehen davon aus, daß an diese Oberflächen Duftmarkierungen angebracht wurden, die ein Revier bezeichnen. Beide Gruppen harmonisierten von Anfang an.
Bis auf geringfügige Rangordnungsauseinandersetzungen zwischen den Weibchen, die niemals mit Verletzungsfolgen ausgingen, haben wir diese Tiere als sehr verträglich und für die Gruppenhaltung geeignet kennengelernt. Die Phelsumen wurden im Gewächshaus nur noch alle 3 – 4 Wochen mit Brei gefüttert und bekamen ansonsten nur Wiesenplankton.
Die für Phelsuma flavigularis typische fein gepunktete dorsale Rotfärbung war bei den Nachzuchten nicht in dem Maße wie bei den Wildfängen ausgeprägt, jedoch waren die Unterkieferschuppen (Sublabialia) genauso wie die Augenringe (Supraciliaria) prächtig blau gefärbt.
Während des Sommers 1996 entdeckten wir in keiner der angebotenen Bambusröhren eine Eiablage, obwohl deutlich zu sehen war, daß alle Weibchen Eier angesetzt hatten. Wir fanden auch keine Jungtiere. Erst als die Tiere samt ihrer Einrichtung in ihre Winterquartiere befördert wurden, entdeckten wir, daß in beiden flavigularis Gruppen schon seit geraumer Zeit 6 Doppeleier gelegt wurden. Allerdings statt in die Röhren, wie bei ihren Eltern, wurden die Eier an geschützte Stellen im unteren Bereich der Blätter von Sansevierien geklebt. Ein Doppelei wurde auf ein Bromelienblatt geklebt. Jetzt inkubieren die Eier in dem bewährten Terrarium.
Die Nachzuchtweibchen waren also nach exakt einem Jahr adult. Interessant ist, daß Phelsuma flavigularis trotz erheblicher Temperaturschwankungen (tagsüber bis zu 35°C, nachts bis auf 5°C) reproduktiv war.
Zum Schluß habe ich eine traurige Nachricht, denn in den letzten Tagen verendeten zwei Nachzuchtweibchen, da sie vermutlich die Umstellung von den mittlerweile sehr kalt werdenden Nächten (5°C) zu den relativ konstant warm bleibenden Innenterrarien (min.19°C) nicht verkraftet haben. Eines davon war dazu noch hochträchtig.
Ausblick:
Da Phelsuma flavgularis in Höhenlagen um 900 m ü.NN gefunden wird und daher an Temperaturschwankungen angepaßt ist, bietet sich die Haltung im Gewächshaus in den Sommermonaten geradezu an. Aber auch allen anderen Phelsumenarten, die wir im Gewächshaus hielten, wie z.B. Phelsuma serraticauda, Phelsuma laticauda, Phelsuma modesta, Phelsuma lineata, Phelsuma klemmeri, Phelsuma ornata und Phelsuma grandis hat diese Haltung bis zum 26.09.1996 nicht geschadet. Ganz im Gegenteil! Alle Zuchttiere und, was mich besonders freut, auch die frisch geschlüpften Jungtiere, sind im Gewächshaus gut gewachsen und zeigten eine hohe Vitalität.