Ein Besuch auf der Insel Ste. Marie (Ostmadagaskar)

Achim Lerner (IG-Rundschreiben 1/97)

 

Während einer dreiwöchigen Madagaskarreise im September ’96 besuchten meine Frau und ich die Insel Ste. Marie vor der Ostküste Madagaskars. Die kleine Insel ist 50 km lang, jedoch nur wenige Kilometer breit und verläuft parallel zur Ostküste. Der Abstand zur Küste beträgt ca. 30km, eine Landzunge ragt jedoch bis auf 6km an die Insel heran.

Das Hotel La Crique liegt in einer idyllischen Bucht auf der geschützten Westseite

Das Hotel La Crique liegt in einer idyllischen Bucht auf der geschützten Westseite

Die Anreise erfolgte mit einer kleinen Propellermaschine in 40 minütigem Flug von der Hafenstadt Tamatave. An der Landebahn warteten schon einige Fahrzeuge um die etwa 15 Touristen abzuholen. Die einzige halbwegs befahrbare Straße führte uns entlang der Westseite der Insel, an der auch die Hotels liegen. Unser Hotel mit Namen La Crique lag etwa in der Mitte der Insel. In diesem Bereich weitet sich die Insel bis auf 6km Breite und steigt steil auf 120m an. Hier befinden sich noch einige Reste der Regenwälder, die früher einmal die ganze Insel bedeckten. Diese wollten wir in den nächsten Tagen durchwandern.

Das Hotel La Crique liegt in einer herrlichen Bucht mit feinem weißen Sandstrand. Die Unterkünfte sind einfache Hütten, aus den Kielen der Ravenala madagascariensis geflochten und auf Steinsockeln gebaut. Im hinteren Bereich ist jeweils ein kleines Bad mit Dusche und WC eingebaut. Die Übernachtung kostet ca. 80DM, die Verpflegung lässt, aufgrund der Abgelegenheit der Insel, zu wünschen übrig. Der Strand ist standesgemäß mit Kokospalmen bewachsen. Bereits direkt in der Bucht vor unserem Hotel erstreckten sich einige Korallenriffe, die von vielen Fischen bewohnt wurden. Tauchausflüge werden vom Hotel organisiert und führen in eine unberührte Unterwasserwelt wie z.b. an die Riffe der kleinen Insel Ile aux Nattes vor der Südspitze Ste. Maries.

P.q.bimaculata

P.q.bimaculata

Im Hotelgarten konnten wir Phelsuma dubia, Phelsuma pusilla pusilla, Phelsuma quadriocellata bimaculata an den Kokospalmen und Ravenala madagascariensis entdecken. Sie leben hier als Kulturfolger auch direkt an den Hütten der Hotelanlage. Einige große Exemplare von Phelsuma madagascariensis madagascariensis bewohnten das offene Restaurant und einige Nebengebäude.

Wie bereits auf Nosy Bé konnte ich auch hier mehrere Falken beobachten, die in den frühen Morgenstunden über den Palmen auf Phelsumenjagd gingen und zu meinem bedauern auch sehr erfolgreich waren.
Hinter dem Hotel steigt die Insel schnell auf 100m an. Einige schmale Pfade führen vom Hotel ins Innere der Insel. Die äußeren Hänge sind größtenteils mit hüfthohen Gräsern, Farnkraut und einzelnen Ravenala madagascariensis bewachsen. Hin und wieder ragt noch ein Laubbaum heraus.

P.pusilla pusilla

P.pusilla pusilla

Auf unserer ersten Tour fanden wir an den Ravenala madagascariensis häufig die kleine Phelsuma pusilla pusilla. An den vereinzelten Laubbäumen konnten wir einige kleine Phelsuma madagascariensis madagascariensis ausmachen. Die Tiere waren nur ca. 12cm groß, schienen jedoch bereits ausgewachsen zu sein. Nur innerhalb unserer Hotelanlage fanden wir größere Exemplare von Phelsuma madagascariensis madagascariensis, wie wir sie bereits an der Ostküste Madagaskars bei Tamatave gesehen hatten.

Nach 30 minütigem Marsch erreichen wir den Rand eines Primärwaldes. Im Wald war es angenehm kühl (ca. 24°C). Die Vegetation war fast undurchdringlich. An einer Ravenala madagascariensis sahen wir zum ersten mal Phelsuma guttata. Die Tiere sind sehr scheu, leben anscheinend nur tiefer im Wald und dort ausschließlich an Ravenala madagascariensis.

kleine P.m.madagascariensis von Ste. Marie (12cm)

kleine P.m.madagascariensis von Ste. Marie (12cm)

Eine genauere Inspektion verlangten Spalten und Höhlen in den Laubbäumen, denn diese waren fast immer bewohnt. Mehrmals entdeckten wir hierbei Homopholis antongilensis, einen großen nachtaktiven Gecko. Im Laub am Boden stießen wir auf den kleinen nachtaktiven Gecko Ebenavia inunguis, und einige Geckolepis ssp. Diese zeigten beim ergreifen ein verblüffendes Abwehrverhalten, indem sie komplette Hautpartien durch winden abstreifen und somit entkommen können. Eher durch Zufall entdeckte ich auf einer weiteren Tour zwei Exemplare von Uroplatus sikorae sameiti. Die beiden halbwüchsigen Geckos hatten sich am Waldrand in einem Gewirr von Lianen versteckt und waren nur durch ihre Flucht aufgefallen.
Mit Hilfe eines Einheimischen konnten wir letztlich auch einen extrem seltenen Vertreter der Gattung Uroplatus entdecken. In einer großen Ravenala madagascariensis fanden wir in einem zusammengerollten Blattrichter einen 25cm langen Uroplatus lineatus.

Uroplatus lineatus

Uroplatus lineatus

Unser Führer erzählte uns das die Tiere sehr Ortstreu seien und lange Zeit eine bestimmte Ravenala bewohnten. Hier sitzen sie in den Blatttrichtern und lauern Insekten auf. Meine Terrarienbeobachtungen unterstützen diese Aussagen, da der Gecko mit Sicherheit kein effektiver Verfolgungsjäger ist.
Weitere Reptilien, die wir sehr häufig entdecken konnten waren Zonosaurus brygooi und Zonosaurus madagascariensis, zwei Vertreter der Schildechsen. Das Chamäleon Furcifer pardalis, ein kleiner Skink Mabuya gravenhorstii sowie die beiden Nattern Leioheterodon madagascariensis und Liopholidophis lateralis konnten wir auf jeder Wanderung meist entlang der Waldränder entdecken. In einem Tal stießen wir auf eine große Kolonie von Flugfüchsen. Es waren mit Sicherheit einige hundert Tiere, die kopfüber in den Bäumen hingen oder im Segelflug kreisten. Mit einer Flügelspannweite von 1,5m wirkten sie sehr beeindruckend.

Leider mussten wir bei unseren Wanderungen auch feststellen, das ganze Hänge des verbliebenen Regenwaldes gerade abgeholzt waren, oder dafür vorbereitet wurden. Hier wird wohl innerhalb der nächsten 10 Jahre der ursprüngliche Regenwald verschwunden sein, wenn keine Schutzmaßnahmen ergriffen werden. Diese seien jedoch nur durch eine private Initiative zu leisten, erklärte uns unser Führer, der im Gegensatz zu vielen anderen Madagassen sehr besorgt über die derzeitige Situation der Wälder sprach.
Er wäre sofort bereit, sich vor Ort bei der Inselverwaltung für die Einrichtung eines privaten Schutzgebietes einzusetzen. Eine Summe von ca. 8 Mio. FMG (ca. 3800DM) wäre hierzu jedoch notwendig um die verblieben ca. 12qkm Primärwald zu kaufen. Sicherlich eine interessante Möglichkeit, die auch innerhalb unserer IG diskutiert werden sollte.

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