Herpetologische Eindrücke von den Seychellen
Silvia Budzinski (IG-Rundschreiben 1/2002)
Im November 2001 besuchten wir wieder einmal die paradiesischen Inseln der Seychellen. Wir begannen den Urlaub auf der Insel Silhouette, die wir bereits vor sechs Jahren schon einmal besucht hatten. Erfreulicherweise hat sich diese Insel in den letzten Jahren kaum verändert. Die Natur ist noch sehr ursprünglich, besonders in den Bergen gibt es noch Flächen mit Primärtropenwald, und man kann sehr schöne Wanderungen unternehmen. Die Strände sind zumeist recht schroff, und direkt hinter der Strandlinie erheben sich die Berge, die mit dem 740 m hohen Mont Dauban ihre höchste Erhebung finden. Da nicht überall ein Korallenriff vorgelagert ist, gibt es auch eine stärkere Brandung mit zum Teil starken Unterströmungen.
Bereits an unserem ersten Tag machten wir die Bekanntschaft von Ron Gerlach, einem sehr symphatischen älteren Herrn, der Vorsitzender des „Nature Protection Trust of Seychelles“ ist. Sein Sohn Dr. Justin Gerlach ist Zoologe an der Universität von Cambridge und hat 1996 eine neue Art des Bronzegeckos beschrieben, Ailuronyx tachyscopaeus.
Der NPTS ist eine uneigennützige Privatorganisation, die auf den Seychellen ansässig ist. Das Ziel des NPTS sind die Erhaltung der Biodiversität der Inseln durch wissenschaftliche Forschung, Schutz- und Erhaltungszuchtprogramme für Pflanzen- und Tierarten als auch der Schutz und Erhalt ihrer Lebensräume. Auf Silhouette ist der NPTS seit 1997 ansässig. Hier wurde das „Silhouette Conservation Project“ iniziiert, dessen Ziele es sind, die Umwelt zu erhalten, eingeschleppte Tier- und Pflanzenarten zugunsten der endemischen Arten zu verdrängen und wissenschaftliche Daten zur Artenvielfalt und Ökologie zu sammeln.
Außerdem werden Erhaltungszuchtprogramme für besonders gefährdete Arten betrieben. So gibt es auf Silhouette ein Zuchtprogramm für Landschildkröten, von denen man annahm, dass sie bereits im letzten Jahrhundert von Siedlern und Seefahrern ausgerottet wurden. Die heute auf den inneren Seychellen vorkommenden Landschildkröten stammen vom Aldabra Atoll. 1995 entdeckte man Tiere in Privathand, die in ihrem Aussehen Merkmale der als ausgestorben geglaubten Arten zeigen. Es handelt sich um zwei Arten: die Seychellen Riesenschildkröte (Dipsochelys hololissa) und um Arnold’s Riesenschildkröte (Dipsochelys arnoldi), die früher wohl sehr zahlreich die Inseln bevölkerten. Mit den entdeckten Tieren startete man ein Erhaltungszuchtprogramm, das leider bis heute noch nicht von Erfolg gekrönt ist, obwohl schon mehrfach Gelege vorhanden waren. Die Ursachen für die Fehlschläge sind nicht klar, möglicherweise sind die Tiere Hybriden mit der Aldabra Art. Man will versuchen, durch DNA Untersuchungen Klarheit zu schaffen.
Eine weitere Schildkrötenart, für die ein Zuchtprogramm läuft, ist die Sumpfschildkröte Pelusios subniger parietalis. 1999 gab es die ersten Gelege, die aber leider durch die Ablage ins Wasser größtenteils verdarben, und nur ein einziges Jungtier konnte in dem Jahr gerettet werden. Es war der erste Schlüfling in Menschenhand. Im letzten Jahr war ein großer Fortschritt gelungen, denn Ron Gerlach zeigte uns stolz neun quietschfidele Jungtiere.
Diese beiden interessanten Projekte sollen einen kleinen Einblick in die Aktivitäten des NPTS geben, alle Projekte vorzustellen, würde den Rahmen eines Reiseberichtes bei weitem sprengen. Es gibt aber eine Internetseite, auf der sich alle Interessierten ausführlich informieren können: http://members.aol.com/jstgerlach/. Sie ist auch auf unserer Homepage verlinkt.
Von Ron erfuhren wir, dass er in den nächsten Tagen mit einem deutschen Filmteam eine Tour in die unzugänglichen Gebiete der Berge machen würde, der wir uns gerne anschließen könnten. So startete unsere Gruppe früh am Morgen: Ron Gerlach, 3 Leute vom SWR, die allerdings noch nicht zum Dreh, sondern auf Recherchereise dort waren, ein befreundetes Paar, Ralph und ich sowie ein guter Freund von Ron und, wie sich herausstellte, der Vater von Emmanuel van Heygen, den einige IG-Mitglieder ja gut kennen. Er begleitete unsere Gruppe als Reptilienexperte.
Als der gut erkennbare Pfad endete, half nur noch die Machete aus Rons Rucksack, über deren Zweck wir uns schon gewundert hatten, beim Vorwärtskommen. Nach einigen Stunden schweißtreibender Kletterei über sehr steile rutschige Hänge, über und unter Sträuchern und Baumstämmen hindurch, zum Teil unter Zuhilfenahme aller verfügbaren Extremitäten, erreichten wir das Ziel, den Berggipfel des Pot à Eau, bewachsen u.a. mit der endemischen „Pitcher Plant“ (Nepenthes pervillei). Zur eigenen Freude und Rons Erstaunen entdeckte ich hier auf dem Gipfel Phelsuma sundbergi longinsulae.
Die Aussicht auf die Küste und die bewaldeten Hänge des Mont Dauban war einfach grandios, der anstrengende Aufstieg hatte sich gelohnt! Von den endemischen Tierarten haben wir auch einige gefunden, wobei das Sichten eines der seltenen Tigerchamäelons (Calumma tigris) sicher mit ein Höhepunkt des Tages war. Zu meiner großen Freude war es mir selbst gelungen, das Tierchen zu entdecken. Noch während unseres Aufstiegs war Ron wiederholt bäuchlings ins Laub gehechtet. Unsere Verwunderung sollte aber bald geklärt werden. Das Filmteam wollte gerne eine Blindwühle sehen, Ron präsentierte sie uns nun. Es war ein schwarzes glänzendes wurmförmiges Tierchen, dass vehement versuchte, sich der Hand zu entwinden. Es war sehr interessant, solch ein ungewöhnliches Amphibium in natura zu sehen. Am Ende der Tour waren wir total verdreckt und erst nach einer heißen Dusche wieder salonfähig.
Auf Silhouette gibt es natürlich auch zahlreiche Phelsumen. Schon der Hotelgarten ist von ihnen bevölkert. Es kommen Phelsuma astriata astriata und Phelsuma sundbergi longinsulae vor. Wir konnten die beiden Arten auf der ganzen Insel beobachten, sowohl im Küstenbereich als auch im Wald. Die Seychellen hatten im letzten Jahr eine sehr lang anhaltende Trockenperiode, was man teilweise auch der Vegetation ansehen konnte. Es fiel uns auf, dass wir von den Phelsumen meist nur kleinere etwa semiadulte Tiere sahen. Jedenfalls fanden wir keine P.astriata von der vor Jahren beschriebenen Größe mehr. Die Tiere waren vielfach extrem schlank und wirkten schon fast unterernährt. Ob tatsächlich ein Futtermangel oder eher das fehlende Wasser die Ursache war, können wir nicht sagen.
Nach Silhouette besuchten wir die Insel La Digue, da die für ihre gigantischen Felsen, die man ja häufiger in der Werbung sieht, bekannt ist. Auch La Digue eignet sich hervorragend für schöne Wanderungen. Sehenswert ist das kleine Schutzgebiet für den Paradies Fliegenschnäpper, einer endemischen Vogelart. Wir konnten neben diesem hübschen und agilen Tier im Reservat zum ersten Mal den grünen Seychellenbaumfrosch (Megalixalus seychellensis) finden. Er saß zunächst schlafend auf einem Blatt, wurde aber durch das Blitzlicht unserer Kamera schlagartig wach und blickte uns mit seinen schönen großen Augen verwundert an.
Die Phelsumen, vertreten in den Unterarten P.sundbergi ladiguensis und P.astriata semicarinata sind sehr häufig. Meist sieht man sie schon aus der Entfernung leuchten. Dabei sind sie was ihr Revier betrifft offenbar nicht sehr wählerisch. Wir fanden die Tiere sowohl an der Küste als auch oben auf dem Bergrücken.
Sie bewohnen Bäume, Sträucher, Gartenzäune, Hauswände, sogar auf den Felsen waren sie aktiv. Ein schönes großes Ladiguensis Weibchen hatte sich gar für das Restaurant unseres Hotels entschieden. Pünktlich zum Abendessen erschien es, platzierte sich an der ausgesuchten Lampe und jagte eifrig die angelockten Insekten. Nach Beendigung das Mahls zogen sich dann alle Zwei- und Vierbeiner mit gefüllten Bäuchen in ihre Quartiere zurück.
Sehr schön ist auch eine Wanderung auf den Nid d’Aigles, mit 330 m die höchste Erhebung auf La Digue. Hier gelang es uns, eine der endemischen Wolfsschlangen Lycognathophis seychellensis zu sehen. Während der Frosch langsam auf dem Blatt herumlief, war die Schlange doch etwas flotter. Ich wußte zwar, dass sie nicht giftig ist, aber nicht, ob sie nicht doch beißen kann. Ich ergriff sie zwar, aber da sie sich stark herumwand, ließ ich sie los, obwohl die Kamera noch nicht schußbereit war. Sie entkam ins Unterholz. Im Nachhinein erfuhren wir, dass sie gar nicht beißen kann, und so ärgerte ich mich über meine Unfähigkeit, eine Schlange fangen zu können.
Die letzte Station unserer Reise war die Insel Praslin. Natürlich gehört der Besuch des Valle de Mai zum Pflichtprogramm. Obwohl wir schon mehrfach das Vallee de Mai besucht hatten, verbrachten wir auch dieses Mal wieder einige Stunden hier. Wir hatten uns das Ziel gesetzt, diesmal Calumma tigris hier zu finden. In einem Artikel in der „elaphe“ hatten Markus und Anita Grimm ihre Erfahrungen bei der Suche nach diesem hübschen Chamäleon beschrieben (2). Mit diesen Informationen machten wir uns auf die Suche. Doch trotz richtiger Zeit und richtigem Ort gelang es uns leider nicht, auch nur eines der Tiere zu finden.
Erfolgreicher war dagegen die Suche nach der großen Form des Bronzegeckos, Ailuronyx seychellensis. Wir fanden zwei Exemplare mit einer schönen Streifenzeichnung. Sie sind schon beeindruckend. Recht häufig zu sehen sind Tiere der kleineren Form, die aber längst nicht so intensiv gezeichnet sind. Phelsumen kommen in den beiden Arten P.sundbergi sundbergi und P.astriata semicarinata vor. Es ist kein Problem, die leuchtenden Tierchen beim Naschen an den Blüten der männlichen Coco de Mer Palmen zu beobachten.
Eine weitere schöne Wanderung kann man von Anse Volbert im Osten quer über die Insel machen. Man folgt dem Salazie Track, einem zunächst extrem steilen Wanderweg, der größtenteils durch Wald führt und daher sehr angenehm zu begehen ist. Schon bei unserer ersten Wanderung war uns klar, dass dieses Gebiet mit seinen Gegebenheiten Chamäleon Biotop sein muß.
Da die Tiere am besten in der Zeit nach 16:00 Uhr anzutreffen sein sollen, wenn sie sich außerhalb der dichten Vegetation an dünne Zweige zum Schlafen niederlassen, beschlossen wir, es am Nachmittag zu versuchen. Diese Suche blieb leider wieder erfolglos. Wir versuchten es ein weiteres Mal, und Ralph war schon wieder kurz vor der Aufgabe. Doch Dank weiblicher Hartnäckigkeit gelang es mir doch noch, schließlich zwei Exemplare zu finden. Die Freude war natürlich entsprechend groß.
Von Praslin aus machten wir noch zwei Inselausflüge, nach Aride und nach Curieuse. Aride ist nur rund 6 Meilen von Praslin entfernt, steht unter völligem Naturschutz, und wird nur von Wissenschaftlern und einigen Mitarbeitern bewohnt. Man bezahlt eine Landegebühr, die in Forschungsprojekte einfließt. Das gechartete Boot brachte uns in nur 25 Minuten nach Aride. Die Landung ist ein Erlebnis für sich.
Um zu verhindern, dass Ratten oder andere Schädlinge auf die Insel gelangen, muß das Boot an einer Boje in etwa 100- 200 m Entfernung vom Strand festmachen. Die ganzen mitgebrachten Vorräte für das spätere Barbecue wurden umgeladen, und auch wir mußten umsteigen. Mit voller Beschleunigung raste das Schlauchboot Richtung Strand, um kurz darauf auf selbigem zum Stillstand zu kommen! Jeff, unser Guide, führte uns über die Insel. Es leben viele seltene Vogelarten hier, so zum Beispiel die Magpie- Robin, die zu den seltensten Vögeln der Welt gehören. Zur Zeit lebt hier nur ein einziges Paar (Robby und Maggy), was aber nicht mehr brütet. Es sollen in nächster Zeit weitere Zuchtpaare hier angesiedelt werden. Es gibt auch sehr viele Seevogelarten, darunter auch Räritäten wie den Rotschwanztropikvogel, von dem 3 Paare hier brüten.
Auch reptlienmäßig hat Aride einiges zu bieten. Was sofort auffällt, sind die Skinke der Arten Mabuya seychellensis und Mabuya wrightii, die hier in einer unglaublichen Populationsdichte vorkommen. Man muß ständig aufpassen, nicht auf sie zu treten. Das besondere an den Aride Tieren ist die Tatsache, dass Mabuya wrightii hier besonders groß werden. Die Tiere erreichen locker eine Größe von 30 cm. Mit ihnen hatten wir später beim Barbecue noch ein nettes Erlebnis. Jeff legte ein Stück einer Papaya auf den Boden. Sofort strömten aus allen Richtungen Skinke in allen möglichen Größen herbei, um sich an der Frucht zu laben. In kürzester Zeit wuselten schätzungsweise 30 bis 40 Tiere an der Frucht herum.
Neben den Skinken findet man auf Aride auch die große Form von Ailuronyx seychellensis in einer enormen Populationsdichte. Kaum ein Baum in der Küstenregion, an dem nicht etliche der besonders kontrastreich gezeichneten Tiere zu finden gewesen wären. Von den Phelsumen kommen hier nur P.astriata semicarinata vor, allerdings ist hier die Populationsdicht eher gering, was vielleicht auf die Konkurrenz durch Ailuronyx, Mabuyen und Seevögel zurückzuführen ist.
Der großartigste Platz ist sicher hoch oben auf den steilen Klippen. Hat man in brütender Hitze erst einmal den Aufstieg hinter sich gebracht, schaut man auf das glasklare, in allen erdenklichen Blautönen schimmernde Wasser, in dem wir selbst von oben Karettschildkröten und vorbeiziehende Delfine beobachten konnten. Die Felsen sind bevölkert von Seevögeln, darunter sehr viele der großen Fregattvögel mit mehr als 2 m Spannweite. Es ist besonders spektakulär, dass man von oben auf die riesigen Vögel herunterschaut, während sie vor den Klippen ihre Kreise ziehen. Irgendwann mahnte uns Jeff zum Aufbruch. Schließlich wartete ja noch ein wunderbares kreolisches Barbecue auf uns. Ein Besuch Arides ist ein unvergessliches Erlebnis.
Eine weitere Insel, die in Sichtweite vor Praslin liegt, ist Curieuse. Curieuse ist die einzige Insel neben Praslin, auf der natürlicherweise auch Coco de Mer Palmen wachsen. Ihr Habitus ist aber völlig anders als im Vallee de Mai. Während die Palmen im Valle de Mai schon von Beginn an riesige Blätter ausbilden, sind diese auf Curieuse eher klein. Auch die kompletten Kronen dieser Palmen sind deutlich kleiner. Wahrscheinlich spielt hierbei der Standort eine wesentliche Rolle. Auf Curieuse stehen die Palmen, im Gegensatz zum Valle de Mai, sehr sonnenexponiert. Es gibt auf Curieuse eine Zuchtstation für die Aldabra Schildkröten, die sich auf der ganzen Insel frei bewegen können. Die Population soll 250 Tiere umfassen. Jungtiere werden bis zum Alter von fünf Jahren aufgezogen, und dann in die Freiheit entlassen. Auch auf Curieuse fanden wir P.sundbergi sundbergi und P.astriata semicarinata, die hier auch die Mangroven besiedeln. Die schattenspendenden Mangroven säumen einen Teil der Küste und können auf angelegten Holzstegen druchlaufen werden.
Das Ende des Urlaubs kam wie immer viel zu schnell. Was bleibt, sind die Erinnerungen an erlebnisreiche Wochen und jede Menge Dias.
Literatur:
(1) GERLACH,J. & K.L. CANNING (1996): A new species of the Western Indian Ocean gecko Ailuronyx (Reptilia, Gekkonidae). – Herpetol. J., London, 6 (2): 37-42
(2) GRIMM, A.& M. (2000):Weitere Beobachtungen zum Tigerchamäleon (Calumma tigris). – elaphe N.F.,Rheinbach, 8(4): 73-75.